Vom blauen Gold am grünen Band

Bad Steben in der Nähe der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze lockt mit Wandern und Wellness

Während der Fahrt in der Bummelbahn genügt ein kurzer Blick aus dem Zugfenster, um festzustellen: Die Natur ist Chef in der Umgebung des bayerischen Staatsbads sowie Heilkurorts Bad Steben.

Wer an diesen, immerhin 600 m hoch gelegenen Zielort will, meint es gewöhnlich ernst mit der Gesundheit. Schließlich braucht man mit dem eigenen Auto allein von Hof her eine halbe Stunde – und nach Hof muss man erst mal kommen! Wer es aber dann erst mal hierher ins beschauliche Grenzgebiet zur Ex-DDR geschafft hat, wird mit einem „föhnfreien Mittelgebirgsklima“ belohnt, wie Wikipedia weiß. Hier kann und will man gar nicht verleugnen, dass der Markt mit seinen rund 3.400 Bewohnern – welche sich auf unglaubliche 21 Orte verteilen – im Naturpark Frankenwald liegt. Auch das Fichtelgebirge und der Thüringer Wald liegen um die Ecke: Es grünt so grün… „Der Frankenwald wurde vor vier Jahren als Qualitätsregion `Wanderbares Deutschland´ ausgezeichnet“, erklärt Wanderführer Siegfried Scheidig dazu stolz. Als Kreisheimatpfleger ist er ein echter Lokalmatador: Der Mann aus Ludwigsstadt hat etliche Bücher über die Gegend publiziert, in welcher sich Scheidig auskennt wie in seiner Westentasche.

Eine Wanderung durch die Deutsche Geschichte

Soeben erklimmt er mit einer Gruppe die vielen, vielen Stufen hinauf zur „Thüringer Warte“ – von der aus man immer noch einen sagenhaften Blick vom ehemals „goldenen Westen“ ins frühere Zonen-Grenzgebiet hat. Der Aussichtsturm auf dem Ratzenberg war jahrzentelang eine Art Fernrohr hinein in den real existierenden Sozialismus. Und so standen im Lauf der Zeit etliche Millionen Westdeutsche hier oben und warfen einen – mit leichtem Gruseln gemischten – Blick in die abgeschottete DDR hinüber. Bundespräsident Heinrich Lübke erklomm 1964 die kleine Plattform am oberen Ende des Turms, kurz darauf Herbert Wehner oder der damalige Bundesminister Erich Mende. Alles Geschichte, alles vorbei. Gut so.

Wandern in der Natur - wo einst eimal die Mauer stand

Einer jüngeren Generation müsste man wohl erst erklären, wie verzwickt das im 20. Jahrhundert politisch war. Mit Stichworten wie „deutsche Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg“, „Mauer“ oder - zum Glück auch - „Mauerfall“. Bei Besuchern ab der Mitte des Lebens sei das nicht nötig, meint Wanderführer Scheidig gelassen. Ein paar Infos müssen aber sein: Von „nirgends aus der BRD hatte man einen so unglaublich weiten Blick in den Osten wie hier“, sagt der Wander-Profi, und schon wieder klingt es fast ein wenig stolz: Vor allem auf den fantastischen Ausblick über die nur 200 Meter entfernte Grenze, das heutige „Grünen Band“, hinweg ins Thüringische hinein.

Wanderurlaub mit Bildungsfaktor und Entspannungsmöglichkeiten

Beeindruckt steigt die Gruppe zurück in den Bus. Der nächste, durchwegs erfreuliche, Tagespunkt: Mittagessen im „Bauhaushotel“, das mit seiner dramatisch großen Front im Örtchen Probstzella einfach unübersehbar ist. Der heutige Eigner hat es vor dem Abriss gerettet, mit dem sie damals alle rechneten. Es schien nur eine Frage des Geldes, die baufällige Beinahe-Ruine mit den geschichtsträchtigen Wurzeln endgültig einzureißen. Dieter Nagel, der eigentlich aus dem medizinischen Bereich kommt, bezeichnet es selbst als „finanziellen Wahnsinn“, dass er das größte Bauhaus-Ensemble Thüringens in liebevoller Kleinarbeit restauriert hat. Als der Komplex im Jahr 2003 unter den Hammer kam, schlug Nagel zusammen mit zwei weiteren Investoren – darunter seine Ehefrau - zu. Das hat ihn einen riesigen Betrag sowie viele Nerven gekostet; auf der anderen Seite hat er dafür auch den einen oder anderen Preis für seinen Fleiß und den originalgetreuen Aufbau eingesteckt. „Klare Linien und Flächen im typischen Bauhaus-Stil“ waren und sind dem forschen Mann ein Anliegen, soweit wie möglich wurde alles bis ins Detail denkmalgerecht saniert. Inzwischen stellen sich Nagel wie seine Frau Antje routiniert vor Besucher, wie sie sich häufig im „Blauen Saal“, dem Restaurant des Hauses, einfinden. Dann doziert er wie ein Professor über die überwältigende Geschichte des Riesenbaus. Gerade jetzt, im Bauhausjahr 2019, hat das medial hohe Wellen geschlagen, „teilweise war ich selbst überrascht, wo überall ein Artikel über uns erschienen ist.“ Hier in Sichtweite der Grenze ist es allerdings nach wie vor schwer, genügend Personal für Hotel und Gastbetrieb zu finden. In Bad Steben scheint das nicht anders zu sein. Vermutlich war das noch ganz anders, als der Naturforscher und Publizist Alexander von Humboldt hier schöne Jugendjahre verbrachte. Von denen er noch lange später schwärmte, als er schon lange zu seinen berühmten Expeditionen in die weite Welt aufgebrochen war. Der Ort glänzt inzwischen mit der größten Schieferdampfgrotte Nordbayerns sowie einer Spielbank, welche 2001 als letzte der bayerischen „Zockerbuden“ in Betrieb ging. „Das Dach gestaltete man so gewellt, um das Auf und Ab von Gewinnen und Verlieren abzubilden“, philosophiert der Hausmeister der nahen Grundschule, als die Gruppe an dem Gebäude vorbeizieht. Aha. Weit alltagstauglicher als die hiesige Spielbank: Die imposante Therme von Bad Steben, nur einen Katzensprung entfernt gelegen. Das ehemals „Königlich bayerische Staatsbad“ mit seinen Quellen und dem Radon-Vorkommen, das besonders bei Rheuma helfen soll, erfreut sich ziemlicher Beliebtheit.

Bürgermeister Bert Horn hebt auf der ortseigenen Homepage denn auch den Wert der Einrichtung „für Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden“ hervor. Die Bad Stebener Therme befindet sich im 40 Hektar riesigen, unter Denkmalschutz stehenden Kurpark in der Nähe der historischen Säulenwandelhalle. Massive Blocksaunen, eine Salzgrotte, ein Naturbecken sowie ein eleganter Sky-Pool heben die Anlage aus den deutschen Wellness-Tempeln heraus. Der vermutlich perfekte Ausklang eines Touristentags - an dem man zuvor zum Beispiel das Deutsche Schiefertafelmuseum in Ludwigsstadt, den Schallersbruch oder die Fischbachsmühle mit der längsten Pralinentheke Oberfrankens erkundet hat.

Oder aber man hat den eigentlichen Schatz des Frankenwalds in Augenschein genommen, der auf dem ersten Blick wenig spektakulär wirkt: Im Geopark Schieferland dreht sich vieles um ein meist blaues Gestein, welches die meisten allerdings als grau beschreiben würden. „Schiefer hält viele hundert Jahre, ist also eine nachhaltige, lohnende Investition“, erklärt dazu Manfred Teichmann vom Schieferwerk Lotharheil in Gerodsgrün.

Gut möglich, dass sich nicht jeder der Mitreisenden in der Gruppe ein solch wertiges Natursteindach für sein Haus leisten kann. „Man muss schon mit einem höheren fünstelligen Betrag fürs Eindecken rechnen“, erklärt Experte Teichmann. Auf rund 80.000 Euro kann sich so ein Kostenvoranschlag belaufen, wie wir an anderer Stelle hören. Kein Wunder, dass sie in der Gegend vom „blauen Gold“ sprechen. Später in der Therme sollten wir wieder auf Schiefer treffen; das hier mit Vorliebe als dekoratives Element eingesetzt wird. Wohlig lehnten wir uns zurück ins warme Becken und wussten bereits nach wenigen, sehr angenehmen Augenblicken: Bad Steben und Umgebung, wir kommen wieder.